Vom Reisen in Indien


Reisen in Indien hat mit Reisen in Deutschland ungefähr so viel gemein, wie Chapathi mit Vollkornbrot. Grundsätzlich gilt auch fürs Reisen die in Indien viel zitierte Maxime „Bharat mein sab kuch chalte hai“, was soviel heißt wie „In Indien geht alles irgendwie“. Allerdings sollte man sie vielleicht noch um den Zusatz „wenn man das nötige Geld hat“ erweitern. Überall in Indien findet man Rickschas und Taxis die hilflose Touristen zu jedem Ziel bringen – nur eben zu Ausländerpreisen.

Da unser Reisebudget nicht ganz mit dem der Durchschnittstouristen mithalten konnte, hielten wir uns in erster Linie an Züge, Busse und öffentlichen Nahverkehr, auch wenn man auf Rickshas nie ganz verzichten kann.

Fernbusse sind in Indien ein sehr praktisches Fortbewegungsmittel. Neben den Government-Bussen gibt es eine große Fülle privater Busunternehmen, sodass man eigentlich nie Schwierigkeiten hat, die gewünschte Verbindung zu bekommen. Der schlechte Zustand der Straßen, die kaum vorhandene Federung der Busse sowie der Fahrstil der Fahrer führen jedoch dazu, dass man ständig hin- und hergeworfen wird oder auf und ab hüpft. Für sehr lange Fahrten sind daher zumindest die billigen Government-Busse nicht zu empfehlen, will man nicht einen Tag mit Rückenschmerzen und Kopfweh verbringen. 

Die schönste und komfortabelste Art in Indien zu reisen ist mit dem Zug. Es ist allerdings auch die komplizierteste. Es gibt vier verschiedene Schlafwagenklassen und zwei bis drei verschiedene Sitzplatzklassen. Dazu sind die Züge oft Monate im Voraus ausgebucht, sodass man sich auf Wartelisten wiederfindet und auf eine Sitzplatzbestätigung hoffen muss. Um das zu umgehen gibt es Emergency-Call- und Tourist-Reservation-Kontingente sowie Tickets, die man erst kauft wenn der Zug schon losgefahren ist. Für all diese verschiedenen Dinge gibt es natürlich auch verschiedene Schalter und Buchungsformalitäten. 

Wenn man dann aber endlich im Zug sitzt, bekommt man ein sehr abwechslungsreiches Reiseerlebnis geboten. Man kommt immer mit anderen Mitreisenden ins Gespräch oder kann an einer der offenen Türen die Beine baumeln lassen und die Landschaft betrachten während ununterbrochen die Rufe der Essensverkäufer durch die Abteile schallen: „Chai, chai, chaaaai; Samose, Pakore, Veg-Cutleeet“. Auch an den Bahnhöfen kann man immer aussteigen und Essen einkaufen und dann wieder auf den langsam anfahrenden Zug aufspringen.

Indiens riesiges Schienennetz ist zu großen Teilen in keinem besonders guten Zustand, was die Züge oft zu ausgiebigem Schwingen und Wackeln verleitet. Da Zugfahrten in Indien meist sehr lange dauern, ist es unumgänglich sich der Herausforderung von Mahlzeiten und Toilettengängen bei dem Gewackel zu stellen, was zusätzlich dadurch erschwert wird, dass die indischen Bäder nicht ganz der westlichen Vorstellung einer  Toilette entsprechen.

In den Zügen trifft man auch häufig Bettler unter ihnen teilweise auch Transgender. Transgender sind in der indischen Gesellschaft viel mit Ausgrenzung konfrontiert und haben es schwer normaler Arbeit nachzugehen. Die meisten werden daher Bettler, die ihre Sexualität nutzen, um Männer in peinliche Situationen zu bringen und zu bedrängen, wenn ihnen kein Geld gegeben wird. Nachts ist vor allem in den günstigeren Zugklassen besondere Vorsicht vor Dieben geboten. Daher nehmen die meisten Reisenden ihr Gepäck auf die Liegen und schlafen auf ihren Sachen. Man gewöhnt sich aber recht schnell daran.

Wenn man sich mit mehrstündigen Verspätungen und einer viel langsameren Reisegeschwindigkeit als in Deutschland abgefunden hat, können Zugfahrten in Indien zu einer wirklich schönen Erfahrung werden.

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